Freitag, 10. Mai 2013

Erlebnisberichte-Folge V




Vorbemerkung:


Wie schon berichtet, hatten wir in Vorbereitung des Buches "43.Fla-Raketenbrigade 'Erich Weinert'-Fakten und Geschichten" eine Vielzahl von Erlebnisberichten zusammengetragen, die aber letztlich den Rahmen des vorgesehehenen Umfangs sprengten. Es war daher nicht möglich, alle Beiträge in das Manuskript aufzunehmen-wir hätten zwei Bücher daraus machen können! Es wäre schade, auf diese interessanten Erlebnisse und Erfahrungen zu verzichten. Sind sie doch ein Teil menschlicher Biographien und Beschreibung von Zeitgeschichte. Deshalb haben wir uns entschlossen, diese unveröffentlichten Beiträge auf die Seite SANITZ als Thema ERLEBNISBERICHTE-FOLGEN zu stellen und zusätzlich u.a. in einer DVD "Aus der Geschichte der 43.FRBr" zu erfassen. Diese DVD kann über das TRADI SANITZ, Tel. Nr.: 038209-799 bezogen werden. Den Anfang der Erinnerungsberichte machte Dieter Bertuch über seine Erlebnisse an der Wiege der Fla-Raketentruppen der NVA-in Ulan-Ude am Baikalsee, heute folgt der Beitrag von Jochen Bössenrodt, dessen Laufbahn im FRR-18 Sanitz begann und als Leiter FRID im FRR-13 Parchim endete. Der Erlebnisbericht Folge V ist betitelt: 

"Meine Offizierslaufbahn bei den Fla-Raketentruppen begann in …

Mit der Ernennung zum Unterleutnant Ende August 1964 begann theoretisch meine Dienstzeit im damaligen Fla-Raketenregiment 18 (FRR-18), praktisch jedoch erst vier Monate später. Und das hatte nachfolgenden Grund: nach meiner Ausbildung zum Obertechniker für Hochfrequenz-Systeme (HF-Systeme) wurde ich in dieses Regiment nach Sanitz bei Rostock versetzt, das unmittelbar vor der Umrüstung vom Fla-Raketenkomplex „DWINA“ auf den moderneren Komplex „WOLCHOW“ stand. Deshalb wurde ich mit noch sieben weiteren jungen Offizieren, davon vier für die Systeme Selektion beweglicher Ziele ( SBZ) und Hochfrequenz (HF) sowie vier für das Autonome Startgerät (APP) und Niederfrequenz (NF), zu einer etwas mehr als 3-monatigen Umschulung an der Offiziershochschule für Ingenieure de Luftverteidigung in Minsk ausgewählt.
 Das waren mit mir zum Beispiel Peter Volkmann, Lutz Koppenhöhle, Günter Metke, Joachim Schulze, Heinz Scherr, Helmut Diegler und Gottfried Förster, an die ich mich noch erinnere Unsere Gefühle waren gemischt, hatten wir doch gerade erst unsere 3-jährige Ausbildung beendet. Statt den Urlaub anzutreten und die Lernphase erst einmal zu unterbrechen, fanden wir uns am Folgetag in Strausberg zur Verabschiedung ein. Nach einer  Zugfahrt von fast 22 Stunden trafen wir „Frischlinge“ gemeinsam mit dem ausgewähltem Personal aus den vier Fla-Raketenabteilungen (Kommandeure, Kompaniechefs, Batteriechefs) aus der Technischen Abteilung sowie der Regimentsführung und den erforderlichen Dolmetschern in Minsk ein und wurden auf die Zimmer des Wohnheimes am „9. Kilometer“ verteilt. Die Eindrücke, die wir in den folgenden Tagen und Wochen sammelten, sollten sich tief in mein Gedächtnis einprägen und Entscheidungen für den weiteren Lebensweg beeinflussen. An der Hochschule studierten bereits Peter Meister sowie vier jüngere Offiziere (z.B. Siegfried Keller, Martin Tesky), die uns mit ihren gewonnenen Alltagserfahrungen unterstützen konnten. Es war insgesamt eine schöne Zeit, angefüllt mit intensivem Lernen sowie auch guten Freizeitangeboten. Da für uns Zivilverbot herrschte, waren wir die ersten Offiziere nach dem II. Weltkrieg, die in Uniform Stadt und Freizeiteinrichtungen besuchten. Es war nicht in jedem Fall für uns angenehm, wussten wir doch, was dieser Krieg gerade Weißrussland und seinen Menschen an Leid und Zerstörung gebracht hatte. Auch für die Einheimischen war unser Erscheinen manchmal mit zwiespältigen Gefühlen verbunden. 
Der militärische Alltag hatte uns jedoch voll im Griff. Es wurden systembezogene Ausbildungsgruppen gebildet und mit Hilfe eines Dolmetschers intensiv gelernt. In unserer Gruppe waren wir vier Unterleutnante, dazu Major Ranft von der Offiziershochschule (OHS) sowie Hauptmann Reuther vom Kommando Luftstreitkräfte/Luftverteidigung ( Kdo. LSK/LV) als ausgezeichneter Dolmetscher, ansonsten aber eher ein recht trockener Mitstreiter. Da wir ja nur in den technischen Fächern ausgebildet und unterwiesen und die Hochschuleinrichtungen ab 19.00 Uhr geschlossen wurden, hatten wir täglich pünktlich Feierabend und somit auch ausreichend Freizeit. Wenn wir einmal über die Stränge zu schlagen drohten, holten uns die älteren Offiziere wieder schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Jeweils zwei junge Offiziere saßen zu den drei Mahlzeiten immer mit zwei älteren Studienkameraden an einem Tisch, so dass auf dieser Ebene viel diskutiert wurde. Da wir noch keiner Einheit zugeteilt waren, war auch diese personelle Zuordnung zufällig. Ich saß mit Günter Seidel und Paul Held aus Abtshagen zusammen und ich erinnere mich noch genau an die vielen Ratschläge und Hilfestellungen, die sie uns gaben. Wir lebten uns also auf einem etwas anderen Wege als sonst üblich in das Truppenleben ein, begannen auch langsam zu begreifen, was uns erwartete und wie sich das Leben und der Dienst gestalten könnte. Natürlich hatten wir auch ausreichend Gespräche mit den vorgenannten Offiziershörern. Im Laufe der Ausbildungsmonate machte ich mir ernsthafte Gedanken über eine Ausbildung an solch einer Offiziershochschule, obwohl erst einmal ganz andere Aufgaben anstanden. Aber diese Art des Lernens gefiel mir ausgezeichnet, obwohl wir eine dieser Phasen gerade erst beendet hatten und es uns erst einmal reichte. Zum Ende dieser Ausbildung setzten sich die anwesenden Abteilungskommandeure zusammen und verteilten die „Unterleutnante“ unter sich. Ich wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass mein Dienst Anfang Januar 1965 in der IV. Fla-Raketenabteilung des Fla-Raketenregiments 18 in Retschow als Obertechniker für das System „ Selektion beweglicher Ziele (SBZ)“ beginnen würde.
Damit begann eine langwährende Dienstzeit in Begleitung des damaligen Kommandeurs, Major Pedde. Ab diesem Zeitpunkt suchte ich auch mehr die Nähe des Batteriechefs, Oberleutnant Birkholz, sowie des Kompaniechefs, Hauptmann Forkert, hatte ich doch keinerlei Kenntnisse über den Standort Retschow,  zu Besonderheiten und über  Arbeitsmöglichkeiten für die Ehefrau. Die ersten Dienstmonate in der Abteilung verliefen dann verhältnismäßig ruhig, ich hatte also genügend Zeit, mich einzuleben. Nach einem weiteren Praktikum im Fla-Raketenregiment 16 in Bernau, dort war die WOLCHOW schon stationiert, begann der Ernst des Lebens nach Überführung der neuen Technik. Diese wurde nun  neben dem im Einsatz befindlichen Fla-Raketensystem DWINA entfaltet. Von nun an standen Kontrollen im Mittelpunkt: die Durchführung der täglichen, wöchentlichen und monatlichen Kontrollen wurde geübt, um den Komplex  schnell beherrschen zu lernen. Meine Aufgabe bestand aber auch darin, die Obertechniker der Sende-und Empfangskabine (PW), Kurt Oelschner und dem System Kommando-Sender ( SKS), Horst Gratias, in die neue Technik bzw. deren Änderung zum vorherigen Komplex einzuweisen und anzuleiten. Das war besonders für die Sende-und Empfangskabine (PW) recht umfangreich.
Es herrschte in der gesamten Fla-Raketenabteilung ein hoher Lerneifer. Die älteren Offiziere, ich erinnere mich noch an Gerhard Leinhos, Norbert Szyszka, Kurt Müller, Adolf Siehr, Volker Nacinovich, Dieter Butze und Harald Krause, gingen dabei mit gutem Beispiel voran. Die Technik-Abnahmen verliefen erfolgreich, ebenso das Gefechtsschiessen. Damit waren die Voraussetzungen zur Übernahme in das Diensthabende System (DHS) erfüllt. Die nächsten Jahre waren vom Dienstalltag geprägt, ähnlich dem in den anderen Einheiten der Luftverteidigung der DDR. Es gab in der Zeit auch personelle Veränderungen in den Führungsebenen, so übernahm  1966 Werner Mahlke die Dienststellung Abteilungskommandeur in Retschow und  im Regimentsstab in  Sanitz  wurde Wilfried Schaarschmidt Leiter des Fla-Raketeningenieurdienstes (FRID). Ich wartete sehnsüchtig auf einen Studienplatz in der Sowjetunion, wollte ich doch auch einmal Diplomingenieur werden, ebenfalls in den Ingenieurdienst wechseln und zudem eine Fremdsprache lernen. Dieser Wunsch sollte sich im Jahre 1970 erfüllen, indem ich nach Kiew delegiert wurde. Nach einem Jahr Studium folgte dann die Versetzung nach Minsk, und so war ich wieder an „meiner“ alten Offiziershochschule. Sie gefiel mir nicht nur besser, weil ich mich hier schon auskannte einschließlich bei vielen Ausbildern. Diese Hochschule war im Studieninhalt speziell auf die Belange der Luftverteidigung ausgerichtet und damit für uns ideal. Das Studium konnte ich 1974 mit dem Prädikat  „Auszeichnung“ abschließen. Fortsetzung folgt!

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