Donnerstag, 26. Juli 2012

Geostrategie

Die FAZ brachte am 8. Juni 2012 einem breitem Publikum die Hula-Massaker-Lüge nahe und stellt eine zitierfähige Quelle dar. Am 24. Juli 2012 erteilt das Feuilleton unter der Schlagzeile "Und ihr denkt, es geht um einen Diktator - Die Reaktionen auf den Syrien-Konflikt offenbaren die geopolitische Ahnungslosigkeit mancher deutscher Kommentatoren: Zehn Minuten Nachhilfe aus gegebenem Anlass können nicht schaden." eine Nachhilfe in Geostrategie.

Auszug
»Den Amerikanern und der westlichen Seite geht es nicht oder nicht vorrangig darum, der bedauernswerten syrischen Bevölkerung zu helfen, sondern um Einflussnahme auf die Neugestaltung des Landes nach einem voraussichtlichen Sturz des derzeitigen Regimes, obwohl man mit diesem bisher stets gut zusammenarbeiten konnte. Mehrere, seit längerem geplante, für den Westen wichtige Öl- und Gaspipelines stehen auf dem Spiel, die Saudi-Arabien und Qatar mit dem östlichen Mittelmeerraum und der Türkei verbinden und deshalb partiell durch syrisches Gebiet führen sollen.«

»Russen und Chinesen nehmen die gegenteilige Perspektive ein. Die russische Militärbasis am Mittelmeer, im syrischen Hafen Tartus gelegen, steht ebenfalls auf dem Spiel - wie die allgemeine machtpolitische Stellung Moskaus und Pekings im nahöstlich-vorderasiatischen Raum. Der Blick auf einen möglichen militärischen Konflikt zwischen Israel und Iran macht es für die beiden größten Mächte Asiens unabdingbar, hier präsent zu sein«

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/syrien-und-ihr-denkt-es-geht-um-einen-diktator-11830492.html

Bevor jetzt Euphorie über den ungewohnten Qualitätsjournalismus einer bundesdeutschen Zeitung ausbricht, schlage ich vor, noch im Blog "kritische-massen" nachzulesen. Dieser kommentiert diesen Artikel unter der Überschrift: "Syrien: Die FAZ, zwischen den Zeilen zu lesen".

Auszug
»Da steht der Appell an die "deutsche Politik", sich zu überlegen, wie Deutschland in diesen grossen Linien vorkommt; und ob das, wie es vorkommt, genügt. Zwischen den Zeilen, bei beiläufiger Erwähnung eines gewissen Carl Schmitt und eines gewissen Adolf Hitler steht: Überlegt euch, wo der deutsche Platz an der Sonne ist. - Streck dich, deutsches Ferkel, damit du wieder eine ordentliche deutsche Kampfsau wirst!«

http://kritische-massen.over-blog.de/article-syrien-die-faz-zwischen-den-zeilen-zu-lesen-108494599.html

Wieder was zum Lesen und Nachdenken und das am Feierabend ....

Sonntag, 22. Juli 2012

Die Schlacht um Syrien

Im Moment tobt die offene Schlacht um Syrien. Die syrischen Regierungstruppen haben offenbar ihre Zurückhaltung und die Hoffung auf den Annan-Plan aufgegeben und säubern ihr Territorium von den Terroristen / Aufständischen / Bewaffneten Opposition / Nato-Proxys (zutreffendes bitte unterstreichen).

Im Unterschied zu Libyen letztens können die vom Westen unterstützen Kräfte trotz der bisher massiv erfolgten Hilfe kein Territorium halten. Die direkte US-Aggression scheint bevorzustehen ... der mediale Vorwand scheint wieder "Massenvernichtungsmittel", diesesmal "C-Waffen", zu sein.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-assad-bombardiert-damaskus-a-845785.html
http://hinter-der-fichte.blogspot.ch/2012/07/syrien-uno-generalsekretar-bereitet-weg.html

Freitag, 20. Juli 2012

ERLEBNISBERICHTE-FOLGEN, FOLGE III



 
Vorbemerkung:
In der vorliegenden Reihe ERLEBNISBERICHTE-FOLGEN sind Beiträge zum Lesen erfasst, die eigentlich für das Mitte August diesen Jahres erscheinende Buch "43.Fla-Raketenbrigade 'Erich Weinert'-Fakten und Geschichten" vorgesehen waren, aber den Umfang des Buches gesprengt hätten.
Dieter Bertuch macht den Anfang in dieser Reihe, heute Teil III seiner Erlebnisse von 1962:

" ...Unsere Lehrer instruierten uns recht gut über alle Systeme der Raketenleitstation. Das Lesen der Übersichtsschaltpläne, der Stromlaufpläne, Grundlagen der Automatisierungstechnik sowie Fehlersuche und Fehlerbeseitigung an den Systemen Leitkabine, Koordinatensystem, System der Kommandoerarbeitung, System Kommandosender und Sende-Empfangseinrichtung forderten uns voll. Ich bemühte mich mindestens die Note 4, unserem „Gut" adäquat, zu erreichen, was auch gelang. Die Temperaturen in Sibirien schwankten zur Winterzeit teilweise extrem. Minus 25 Grad bis minus 41 Grad waren das Übliche. Unsere Sonderausrüstung bestand lediglich aus einknöpfbarem Futter für die Uniformmäntel, aus Fäustlingen und einer Pelzmütze, die erst später als Standard in die Bekleidungsordnung der NVA aufgenommen wurde. Da steingraue Mützen nicht aufzutreiben waren, erhielten wir grüne Lederolmützen mit braunem Kunstpelz. Sie nützten, wenn es auch ulkig aussah. Der Übergang von einer Jahreszeit zur anderen oder von Tag zur Nacht erfolgte mit krassen Temperaturunterschieden. Dabei waren die 38 Grad Plusgrade unangenehmer zu überstehen als die 40 Grad Minus oder der einmalige Extremwert von minus 53 Grad. Das in dieser Region herrschende kontinentale Klima brachte uns eigentlich keine größeren Schwierigkeiten, kaum Erkältungserscheinungen. 

Das langsame Auftauen des Baikalsees machte sich selbst bei uns bemerkbar. Viel und starker Wind, auch in Böen, und viel Staub beeinträchtigten jedoch das Wohlbefinden und die seelische Verfassung mehr als die Temperaturen. In den heißen Wochen lag öfters ein Brandgeruch in der Luft, den wir nicht deuten konnten. Einheimische klärten uns auf, die Taiga brenne. Das sei aber nicht sonderlich schlimm. Ernst würde es erst, wenn eine Fläche von anderen Ausmaßen brennen würde, z.B. wie die der Deutschen Demokratischen Republik! Dann müsse man was tun, alles andere würde die Natur selbst regeln. In unserer Freizeit, die wir recht oft auf eigenen Entschluss verlängerten ohne dabei die Ausbildung zu vernachlässigen, waren wir oft in der wunderschönen Natur unterwegs. Da wir alle Jahreszeiten während unseres Aufenthaltes in Ulan-Ude erlebten, waren es unvergessliche Eindrücke. Es gab viele Sehenswürdigkeiten und so strebten wir auch nach Abenteuern. Tagsüber konnten wir das mit einem riesigen Sowjetstern versehene Kasernentor offiziell durch die Wache passieren. Abends sollten wir eigentlich bis 24 Uhr zurück sein. „Ritschratsch“ und auch Volodja argumentierten, das sei auch wegen der eigenen Sicherheit erforderlich. Aber für junge Männer und besonders für die ungebundenen, lockten außer der Natur auch die anderen natürlichen weiblichen Schönheiten des Landes. Es gab auch Einladungen von Familien, denen wir gerne nachkamen Wir hatten Kontakte bis in bekannte Künstlerkreise der Stadt. In den ersten Wochen führte „Ritschratsch“ sporadische Kontrollen durch, ob alle in den Betten lagen bzw. zumindest im Blockhaus anwesend waren. Wir tricksten und präparierten hin und wieder das Bett eines Ausgängers so, dass man annehmen konnte, er läge darin. Unseren Volodja „bestachen" wir ab und an. Als Soldat traute er sich auch selten, etwas zur Einhaltung oder Missachtung des „moralischen Kodexes" durch uns zu äußern. „Ganz Schlimme" stiegen sogar durch das kleine Fenster der Toilette ein und aus. Landschaftlich ist es eine herrliche Gegend, nicht ohne Grund die „Sibirische Schweiz" genannt. Die Straße zwischen der Garnison und der großen Stadt erinnerte mich immer an unsere Thüringer Waldstraßen. Oft wanderten wir entlang der Bahnlinie der Transsib bis zum Schild 5632. Diese Zahl besagte, soweit waren wir von Moskau entfernt. "Fern von Moskau", wie ein alter Film hieß. 

Unmittelbar vor den Toren zur Garnison fließt die Selenga, ein riesiger Nebenfluss der Angara, die in den Baikalsee mündet. Im Winter war die Selenga fest zugefroren, so dass wir auf ihrem Eis selbst an das andere Ufer gelangen konnten. Im eisigen Winter ein schöner Weg. Meistens waren wir zu Fünft oder zu Sechst: Ronald Harkner, Wolfgang Metzler, Heinz Schmidt, Gerhard Giese, Edmund Waldner und ich. Bauern und Fischer luden uns öfters ein, zum Ausruhen und Aufwärmen mit ihnen ein großes Glas des Selbstgebrannten zu trinken. Wir nahmen keine gesundheitlichen Schäden. Als die Selenga auftaute und die Badesaison begann, nur wenige Wochen andauernd, schwammen wir in ihrem Wasser. In der Mitte des Stromes befand sich eine grüne Insel.  Ich schwamm leidenschaftlich gern, aber nicht sehr kräftig. Meine „Kumpels“ erreichten vom Ufer aus auf ziemlich direktem Weg diese Insel. Ich ging jedoch einige Dutzend Meter weiter erst ins Wasser, um von dort im spitzen Winkel, die starke Strömung abschätzend, den Inselrand zu erreichen. Einmal war die Strömung allerdings so schnell, dass es mich trotz aller Bemühungen immer weiter abtrieb. Meine Schwimmbewegungen wurden immer hektischer. Mir fielen Gespräche ein: wie erzählt wurde, in der Selenga würden tote Pferde und giftige Schlangen angeschwemmt. Das beunruhigte mich noch mehr. Sowjetische Offiziere, die ebenfalls badeten und die wahrscheinlich in den Wohnhäusern am Ufer der Selenga ihr Heim hatten, machten bereits Boote los, um mich bergen zu können. Ich zwang mich zur Ruhe und nutzte die Strömung, um etwa einen halben Kilometer weiter flussabwärts doch noch an das Ufer zu gelangen. Am nächsten Tag wurde das „Vorkommnis" ohne Namensnennung ausgewertet. Den „Demokraten" verbot man das Schwimmen im Strom. Natürlich hielten wir uns nicht daran. Ich wurde lediglich noch vorsichtiger. Eine Schnapsidee von uns war auch, als wir zu viert versuchten, ein Floß für eine Fahrt auf der Selenga zu bauen. Ronald Harkner hatte einen Kolchosschmied kennengelernt, der einige Kilometer stromaufwärts wohnte. Dieser wollte uns Krampen zur Verfügung stellen, um die Baumstämme, die fast überall am Ufer herumlagen, zu verbinden. An einem Sonntagvormittag vollendeten wir das Konstrukt. Aber als dieses wahrscheinlich schwimmfähige Gebilde vor uns lag, gestanden wir uns ein, doch einen mächtigen Bammel zu haben. Wir zogen eine zünftige „Sause“ mit dem Schmied vor. Dieser lachte schallend und meinte, dass wir eine vernünftige Entscheidung getroffen hätten. Den Linienbus nutzten wir zur Rückfahrt. 

Die unmittelbare Umgebung unseres Militärstädtchens, des „Voennij gorodok", bestand nicht nur aus Selenga und Transsibirischer Eisenbahn, sondern auch aus den einfachen, unterschiedlich gut erhaltenen und gepflegten Holzhäusern der Einwohner. Es waren Russen, Burjaten und Mischehen, die dort lebte. Es gab eine relativ moderne Schule und einen Gemischtwarenladen, einstöckig und aus Holz errichtet. Dieser war an den Wochenenden unsere „Wodka- Tanke", wenn es die Flasche mit dem „Wässerchen" für drei Rubel und zwanzig Kopeken gab. Sehr häufig gehörte es aber zu den vielen sogenannten „Defiziten" in der Versorgung der Bevölkerung. Die Lehmwege in der Siedlung waren bei Schneeschmelze und Regenwetter tief aufgeweicht und glichen mehr kleinen Bächen und Tümpeln. Gerne ging ich zu einem Denkmal mit dem typischen sowjetischen Pathos in den Figuren von Kämpfern und Opfern, die mich aber dennoch immer stark berührten. Das „Denkmal des ewigen Ruhmes" war den Internationalisten aus China, Ungarn, der Tschechei, Deutschland, Österreich und aus anderen Ländern gewidmet, die hier im Zeitraum vom 18. bis 20.August 1918 für die Sowjetmacht gefallen waren. Abende an der Selenga, wenn die Sonne unterging und das Abendrot oder die Gelbfärbung des Himmels die Umgebung in romantisches Licht versetzten, erweckten Sehnsüchte nach zu Hause, nach den Lieben ... - Fortsetzung folgt! Quelle Fotos: Ludwig Sende

Donnerstag, 19. Juli 2012

MiGs über Peenemünde

Der Autor Herr Manfred Kanetzki wurde vom MediaScript - Verlag überzeugt, eine Neuauflage seines im Jahr 2003 erschienenen Buches "MiGs über Peenemünde" herauszubringen.

Das Buch wurde völlig überarbeitet und wird mit neuen Informationen, bisher unveröffentlichten Fotos und vielen Zeichnungen aufwarten. Das Buch erscheint im Format A4-Hochkant, damit es auch ins Bücherregal neben die anderen Bücher passt.

Anfang Dezember 2012 wird es voraussichtlich erscheinen, ein Preis kann z.Z. noch nicht genannt werden.

Für eine Buchbestellung kann sich jeder rechtzeitig und völlig unverbindlich unter
buchbestellung@mediascript.de

oder unter der
Telefonnummer 030 - 55 09 128
registrieren lassen.

Sobald genaue Informationen über Umfang, Preis und exaktes Erscheinungsdatum vorliegen, wird Verlag diese Interessenten benachrichtigen.

Links:

ERLEBNISBERICHTE-FOLGEN, FOLGE II




 
Vorbemerkung:

In der Reihe ERLEBNISBERICHTE-FOLGEN heute die FOLGE II, gleichzeitig der Teil II des Erlebnisberichtes von Dieter Bertuch. Es geht um die neue Waffengattung Fla-Raketentruppen der Luftverteidigung der NVA und Ulan-Ude 1962:

" ... Die Landschaft am Baikalsee war im Winter traumhaft schön. Ich hoffte sie noch im Sommer und im Herbst kennen zu lernen, was später auch, leider nur oberflächlich gelang. In Ulan-Ude auf dem Bahnhof angekommen, empfing uns ein sehr aufgeregt wirkender sowjetischer Oberst, namens Rasarejev. Später wurde er von uns nur „Ritschratsch" genannt. Er war für uns verantwortlich und ein gut zu leidender, emsig um uns bemühter Vorgesetzter. Den wir aber bald über alle Maßen austricksten, wenn es um unsere häufigen Ausgänge in die Stadt und andere Freizeitmaßnahmen ging. Seine erste Frage war, ob auch der Genosse Konni Kruse wieder dabei sei. Als wir das verneinten, erhellte sich sein Gesicht. Sein Stoßseufzer, dass er Gott danken würde, erweckte Neugier zu den Gründen. Konni weilte bereits bei dem ersten Kurs in Ulan-Ude und zwar als Dolmetscher. Wir waren jetzt der zweite Durchgang. Der Dolmetscher liebte sehr innig nicht nur die UdSSR und ihre Töchter, sondern auch und besonders das alkoholische Nationalgetränk. Unseren Karl- Heinz Kirpeit, als Dolmetscher auch zum zweiten Mal vor Ort, begrüßte der Oberst dagegen sehr freundlich. Kirpeit, eigentlich Kirpeitis, kam aus Litauen. Wahrscheinlich war seine Familie Vorläuferin der späteren deutschstämmigen Spätaussiedler aus den Republiken der ehemaligen Sowjetunion. Karl- Heinz „ Shenja" war unserer Gruppe „Funktechnische Kompanie der Fla- Raketenabteilung" als Dolmetscher zugeteilt. Durch seinen hohen Bekanntheitsgrad in der etwa 200.000 Einwohner zählenden Stadt und vielfältiger geselliger Treffen bat er uns des Öfteren, auf seine Hilfe zu verzichten. Damals fand das nicht unser aller Wohlgefallen. Bald merkten wir jedoch, dass er uns auf diesem indirekten Weg einen Gefallen erwies. Wir waren nämlich gezwungen, selbst in der Sprache unserer Lehrer zu reden und zu verstehen. Das übte ungemein. 

Unsere Lehrer waren sehr gut mit der Materie vertraute Spezialisten an ihren Waffensystemen und auch gute Pädagogen. In besonders guter Erinnerung blieben mir Kapitan Builov ( Hauptmann Builov) und die Podpolkovnike Zaineev, Äppelstein und Lutfulin (Oberstleutnante Zaineev usw.). Auch der Spaß aus seriösen Gründen und reiner Jux kamen bei und mit ihnen nicht zu kurz. Bei einer Zwischenprüfung stolperte zum Beispiel ein Prüfling. Kirpeit, mit dem Stoff bereits vertraut, sagte auf Deutsch „ Rede irgendwas und ich werde das Erforderliche übersetzen!" Kapitan Builov, bisher durch kein Wort in Deutsch aufgefallen, hörte sich zwei, drei Sätze an und sagte in unserer Sprache „Genosse Kirpeit, ich weiß nicht genau, was Genosse X gesagt hat, aber das was Sie übersetzten, hat er nicht gesagt!" Außer X und Kirpeit lachten alle schallend, auch Builov. Podpolkovnik Lutfulin, ein Tatar, großer Fachmann in der Lehre vom Schießen mit gelenkten Raketen, pflegte einen ganz lockeren Stil. Er schritt stets so gemächlich, dass man ihm beim Laufen die Schuhe besohlen konnte. Wenn er das Ausbildungskabinett betrat, schleuderte er seinen kleinen Lehrerkoffer so exakt aus etwa zwei Metern auf den Tisch, dass dieser genau auf Kante des Tisches liegen blieb. Das musste er regelrecht trainiert haben. Unser tägliches bewunderndes „Oooh!", auch aus den Kehlen der mit uns in der Gruppe studierenden bulgarischen und koreanischen Offiziere, beantwortete er mit seiner gutturalen Stimme mit der Begrüßung und der stereotypen Frage, wer für den Abend noch keine Adresse hätte, um gut zu feiern. Das gelte aber nur für die Genossen aus der Nationalen Volksarmee, die Koreaner müssten ja sowieso lernen. Die Bulgaren brauchten keine Adressen, weil sie schon genug davon hätten. 

Zu Beginn des Lehrganges sah der Lehrplan vierzehn Stunden russische Konversation vor. Dieser lockere Sprachunterricht wurde von einer Zivillehrerin gegeben, einem nicht mehr ganz jungen Fräulein. Teilnehmen mussten wir Deutsche und die Koreaner. Die Bulgaren wurden wegen ihrer slawischen Sprache und den damit verbundenen besseren Voraussetzungen befreit. Sie studierten selbständig. Eine Methode bestand darin, sich an das Fenster stellen und zu schildern, was der Betreffende sah. Was sieht man auf einem großen Kasernenhof außer den Gebäuden und ab und zu auch Uniformierten? Somit waren die Schilderungen immer sehr eintönig und wenig lehrreich. Als ein kleiner Koreaner an der Reihe war, fing es heftig zu regnen an. Der arme Kerl hatte offenbar die unanständige Redewendung „chuijovaja pogoda" aufgeschnappt. Das Wort in Gegenwart einer Dame gesprochen, galt als zotig und obszön. Jedenfalls kreischte die Lehrerin auf. „Kakaja pogoda?" Kim wiederholte treuherzig, dass eben ein gerade solches Wetter beginnen würde. Während wir vor Lachen fast unter die Bänke rutschten, verließ Valentina Petrowna den Raum. Mit „Ritschratsch“ kam sie einige Minuten später wieder, immer noch zornesrot im Gesicht! In „Ritschratsch‘s“ Gesichtsausdruck und aus seinen Augen blitzte der Schalk. Er konnte das Geschehene richtig einordnen. Kim war inzwischen durch einen sprachkundigen Landsmann zum Lapsus aufgeklärt worden. Eine formvollendete Entschuldigung von Kim wurde übersetzt und beendete dann auch die Spannungen. Wenn es wieder einmal regnete, begann für uns nicht das „chuijovaja pogoda“, sondern das „korejskaja“, das koreanische Wetter. Während die Bulgaren meist hohe Dienstgrade trugen, sah es bei den Koreanern ähnlich wie bei uns aus. Außer deren Vorgesetzter Oberst „O“ bestand die Gruppe aus Unterleutnanten, Leutnanten, je einem Oberleutnant Hauptmann und Major. Oberst „O“ war gleichzeitig der Kursälteste und damit unser Vorgesetzter. Unser Nationalitätenälteste war Major Heinz Kresse, „Opa" genannt. Unser Klassenältester war der sehr europäisch wirkende und auch so denkende Major der koreanischen Volksarmee An En Rai. Rai hatte bereits ein mehrjähriges Studium in Leningrad absolviert. Er war Energetiker und mit den Sitten und Gebräuchen der großen Sowjetunion bestens vertraut. Seine Qualifikation als Diplomingenieur und Kandidat der technischen Wissenschaften machte ihm das Lernen ziemlich leicht. Er half schwächeren Kursanten, nicht nur seinen Landsleuten, wo er nur konnte und verblieb in meiner Erinnerung als ein wahrhaft guter Mensch. Leider war An En Rai stark den strengen Sitten und der harten militärischen Praxis mit Parteizwang in der koreanischen Gruppe ausgesetzt. Dort führte nicht Oberst „O“ das Regime, sondern der im Dienstgrad niedere Sekretär der Koreanischen Partei der Arbeit, wahrscheinlich auch als Angehöriger des koreanischen Abwehrdienstes beauftragt. Einmal gelang es uns, den vorgesetzten koreanischen Freund zu überreden, mit uns in Ulan- Ude auszugehen. Wie üblich blieben wir im Restaurant „Baikal" hängen. Wir aßen und tranken gut und reichlich. Zwei Tische von uns entfernt saß eine sowjetische Offiziersgruppe. Es dauerte nicht lange, die Tische wurden zusammen gerückt und es wurde ein spontanes Fest der Waffenbrüderschaft gefeiert. Zwei Bulgaren gesellten sich ebenfalls dazu, so dass wir mit vierzehn Personen repräsentativ vertreten waren. Da es an diesem Tag reichlich guten Wodka gab, sonst ein „Defizit", wie vieles andere auch, sprachen alle diesem ordentlich zu. Mit und ohne Trinkspruch wurde gebechert, gelacht, gesungen und die Freundschaft geschmiedet. Das geschah so intensiv, dass ich kaum noch wusste, wie ich mit mindestens vier weiteren Freunden im Wolgataxi unsere „Garnisonaja" vor den Toren der Stadt erreicht hatte. 

Taumelnd fielen wir in die Betten. Nach einigen Minuten überlegte ich mir, doch noch ein Minimum an Hygiene zu erledigen. Das große Licht wollte ich nicht anmachen, um die anderen nicht zu wecken. Aber eine  Tischlampe sollte es schon sein. Diese hatte aber einen Defekt im Schalter und musste mit dem Stecker zum Leuchten und zum Ausschalten bedient werden. Ich erwischte einen Stecker und verband ihn mit dem Netz. Die Lampe brannte nicht. Fluchend über den Zustand ging ich zum Waschraum. Nach wenigen Minuten sah ich dann im Zimmer etwas Glühendes auf dem mit einer Kunststoffdecke bedeckten Tisch. Ich dachte, eine Sternschnuppe, jetzt musst du Dir was wünschen. Schlagartig war ich nüchtern. Ich hatte den herumliegenden Tauchsieder zum Brennen gebracht. Seine Konturen waren bereits durch die Decke auf der Tischplatte eingebrannt. Mit der Wasserkaraffe löschte ich den Entstehungsbrand, der im Blockhaus bestimmt größere Schäden und mir böses Ungemach eingebracht hätte. Ich schämte mich zutiefst. Es gab keinerlei Vorwürfe. Den Tauchsieder ersetzte ich. Die Tischdecke wurde von unserer Ordonanz Wolodja, einem Soldaten getauscht. Der wurde von mir mit ein paar guten Wäschestücken aus meiner Ausstattung beschenkt und war glücklich. „Ritschratsch“ erfuhr von der ganzen Angelegenheit aber nichts. Meine Zimmergenossen und Kumpel des vorherigen Abends lachten nur. Als ich nach dieser „Sause“ unseren Koreaner fragte, wie ihm alles bekommen sei, antwortete er mir, dass es für ihn ein einmaliges Erlebnis gewesen wäre. Das „einmalig" war aber sehr doppelsinnig. Er erhielt eine militärische Strafe und ein Parteiverfahren, weil er das Kollektiv verlassen hatte. Überhaupt war die koreanische Gruppe bei aller asiatischen Freundlichkeit sehr extrem eingestellt. Alle lernten sehr verbissen, um ihre Chancen auf gutes Abschneiden und eventuelle Beförderung im Dienstgrad und in der Dienststellung zu steigern. In diesen neun Monaten gab es für sie nur einen einzigen Ausgang in die Stadt. Dieser war ein gemeinsamer Theaterbesuch, verbunden mit einer Werksbesichtigung. Im Theater wurde die typisch russische Nationaloper „Fürst Igor" aufgeführt, die überhaupt nicht zur Mentalität der koreanischen Genossen passte. Während wir im Durchschnitt 130 Rubel Löhnung erhielten, damals ein guter Betrag für einen Monat, erhielten die Koreaner etwa 90 Rubel. Dennoch fasste die koreanische Parteigruppe den Beschluss, dass jeder monatlich 10 Rubel an den Staat abführt, um mitzuhelfen, sowjetische Waffensysteme kaufen zu können..." - Fortsetzung folgt!

Montag, 16. Juli 2012

Meine Jahre auf dem Schleudersitz

Die autobiografischen Erinnerungen des Jagdfliegers und langjährigen Fluglehrer Rainer Langener ist soeben im Helios Verlag unter dem Titel "Meine Jahre auf dem Schleudersitz" erschienen.

Produktbeschreibungen von Amazon.de:

»Kurzbeschreibung
In autobiografischen Erinnerungen schildert der Autor seinen Lebensweg von den Bombennächten im Zweiten Weltkrieg über die Ausbildung zum Jagdflieger und langjährige Tätigkeit als Fluglehrer auf Überschalljagdflugzeugen bis hin zur Ausübung von verantwortlichen Dienststellungen bei der Ausbildung und Erziehung von Militärfliegern in den Jahren des Kalten Krieges. Breiter Raum wird den Studienbedingungen an der sowjetischen Militärakademie »Jurij Gagarin«, den Anstrengungen zur Formierung der Offiziershochschule für Militärflieger »Otto Lilienthal« und deren Abwicklung nach nur vier Jahren ihres Bestehens gewidmet. Die Ereignisse in der Wendezeit und die vielfältigen Versuche zur Neuorientierung der militärischen Lehreinrichtung nach der Wiedervereinigung schließen die Handlung zum Ende des Jahres 1990 ab. Authentisch und mit klarer Sprache zeichnet der Autor seine fliegerische Entwicklung nach, die von Erfolgen und unvergesslichen Erlebnissen, aber auch von Rückschlägen und Katastrophen in seiner unmittelbaren Umgebung gekennzeichnet war. Obwohl als Einzelkämpfer im Jagdflugzeug, wird vom Autor die unverzichtbare Mitwirkung einer großen Zahl von Menschen gewürdigt, die mit ihren Anstrengungen und Leistungen die Durchführung der Flüge und deren Sicherheit erst ermöglichten. Sie alle gaben unter den oft wechselnden politischen und militärischen Bedingungen in den Jahren des Kalten Krieges ihr Bestes, um einen persönlichen Beitrag zur Erhaltung des Friedens zu leisten. Der Handlungsablauf ist in politische und gesellschaftliche Zusammenhänge eingeordnet. Auf den einzelnen Etappen des Lebensweges des Autors werden jeweils die Personen erwähnt, mit denen er unmittelbaren Kontakt hatte und die für seine Entwicklung von wesentlicher Bedeutung waren. Viele Episoden werden auf humorvolle Weise geschildert. Durch einen umfassenden Bildteil mit Archivfotos wird die textliche Darstellung untermauert. Das Buch soll Jugendlichen anhand persönlicher Erlebnisse im Werdegang eines Militärfliegers realistische Vorstellungen über das Leben im Nachkriegsdeutschland und in der DDR vermitteln. Für Alt-Bundesbürger dürften Schilderungen aus dem Binnenleben der DDR und ihrer NVA sowie über ein fünfjähriges Studium an der sowjetischen Militärakademie »Jurij Gagarin« von besonderem Interesse sein. Gleichzeitig soll an die aufopferungsvolle und oft nicht ungefährliche Tätigkeit der Angehörigen der Luftstreitkräfte der NVA erinnert werden, die in der Zeit des Kalten Krieges ihr Wissen und Können, aber auch ihr Leben für die Sicherung des Friedens eingesetzt haben. Bei vielen Episoden können für Personen aus diesem Kreis eigene ähnliche Erlebnisse aus der Vergangenheit rekapituliert werden.

Über den Autor
Rainer Langener, 1941 in Leipzig als zweites Kind einer Arbeiterfamilie geboren, 1944 ausgebombt, erlebt als Kind die von Hunger und Not geprägten Nachkriegsjahre. Er besucht die Grund- und Erweiterte Oberschule und beginnt seine fliegerische Ausbildung bei der Gesellschaft für Sport und Technik am Flughafen Leipzig-Mockau parallel zum Abitur im Jahre 1960. Im gleichen Jahr freiwilliger Eintritt in die NVA und Beginn der Ausbildung an der Jagdfliegerschule der NVA in Bautzen auf den Flugzeugtypen JAK-18A und MiG-15. 1961 Aufnahme als Kandidat der SED. Abschluss der Jagdfliegerausbildung im Folgejahr und Verbleib als Fluglehrer. Ausbildung von Offiziersschülern auf den Flugzeugtypen MiG-15, MiG-17 und MiG-21 von 1963 bis 1972 zunächst in Bautzen, später in Rothenburg/Oberlausitz. Nachfolgend fünfjähriges Studium an der sowjetischen Akademie der Luftstreitkräfte »Jurij Gagarin« in Monino östlich von Moskau. Nach Rückkehr Einsatz als Leiter für Lufttaktik/Luftschießen im Stab der Offiziershochschule der LSK/LV »Franz Mehring« in Kamenz. Fliegerische Tätigkeit auf den Flugzeugtypen MiG-21, L-39 und Z-43. 1981 bis 1986 Kommandeur des Fliegerausbildungsgeschwaders 15 »Heinz Kapelle« in Rothenburg. Verantwortung für die Ausbildung und Erziehung von Militärfliegern auf der MiG-21 in der Verwendung Jagdflieger/Jagdbombenflieger. 1986 Einsatz als Stellvertreter des Kommandeurs der OHS für Fliegerische Ausbildung und gleichzeitig als stellvertretender Leiter der Vorbereitungsgruppe zur Gründung der Offiziershochschule für Militärflieger »Otto Lilienthal« in Bautzen. 1986 bis 1989 Stellvertreter des Kommandeurs der OHS für Militärflieger für Fliegerische Ausbildung. Verantwortung für die Organisation der Ausbildung und Erziehung von Offiziersschülern im Profil Militärflieger in den Verwendungen Jagdflieger/Jagdbombenflieger, Transportflieger, Hubschrauberführer und Steuermann der Besatzung. Ab Jahresbeginn 1990 Kommandeur der Offiziershochschule der LSK/LV für Militärflieger »Otto Lilienthal« bis September und Dienst in der Bundesluftwaffe bis zur Auflösung der Lehreinrichtung am 31.12.1990. Mehrfach arbeitslos, Gründungsgesellschafter und Ausbildungsleiter der Flugschule der »Sächsischen Luftfahrt Service GmbH« in Kamenz. Nach Personalreduzierung 1994 eigenfinanzierte Ausbildung zum Immobilienkaufmann und selbständige Tätigkeit als Immobilienmakler und Dozent. Von 1998 bis 2006 Projektleiter für grenzüberschreitende Bildungsgänge an der Weiterbildungsakademie für Führungskräfte der Wirtschaft Crostau gGmbH. Oberst a. D. Langener ist seit 1966 verheiratet, Vater eines Sohnes und lebt als Rentner in Bautzen« (Verlinkung von mir).

Eine Bestellmöglichkeit: Amazon.de

Beim Verlag sind das Inhaltsverzeichnis, einige Fotos und eine Seite des Buches zu finden: http://www.helios-verlag.com/verlagsverzeichnis/militaerische-zeitgeschichte/militaerische-zeitgeschichte/titel/meine-jahre-auf-dem-schleudersitz.html

Sonntag, 15. Juli 2012

ERLEBNISBERICHTE-FOLGEN



 
 

 Vorbemerkung:
Wir hatten bereits berichtet, dass in Vorbereitung des Buches "43.Fla-Raketenbrigade 'Erich Weinert'-Fakten und Geschichten" uns eine Vielzahl von Erlebnisberichten erreichten, die letzlich den Rahmen des vorgesehenen Umfangs sprengten. Es war daher nicht möglich, alle Beiträge in das Manuskript aufzunehmen-wir hätten zwei Bücher daraus machen können! Es wäre schade, auf diese interessanten Erlebnisse und Erfahrungen zu verzichten. Sind sie doch ein Teil menschlicher Biographien und Beschreibung von Zeitgeschichte. Deshalb haben wir uns entschlossen, diese unveröffentlichten Beiträge auf die Seite SANITZ als Thema ERLEBNISBERICHTE-FOLGEN zu stellen und zusätzlich in einer DVD "Aus der Geschichte der 43.FRBr" zu erfassen. Die DVD wird zur Eröffnung der Ausstellung "50 Jahre Garnisonsort Sanitz" am 01. September 2012 angeboten und auch danach bestellbar sein. Den Anfang der Erinnerungsberichte macht heute Dieter Bertuch über seine Erlebnisse an der Wiege der Fla-Raketentruppen der NVA-in Ulan-Ude am Baikalsee (Teil I):

 "Als einer der Pioniere einer neuen Waffengattung der Luftverteidigung im fernen Sibirien ...
Fast neunundvierzig Jahre sind vergangen, als ich meine erste größere und verantwortungsvolle Aufgabe übertragen bekam und diese erfüllen konnte. Es bewegt mich noch heute mit Stolz, der erste Kompaniechef einer Offiziersschülerkompanie gewesen zu sein und mitgeholfen zu haben, dass diese Offiziersschüler des 3. Lehrjahres der Flakartillerieschule Potsdam- Geltow und Unteroffiziere aus der Truppe als die ersten Unterleutnants für die aufzustellenden Truppenteile und Einheiten der neu zu bildenden Fla- Raketeneinheiten der Luftverteidigung im Lehr- und Ausbildungsregiment 12 in Pinnow bei Angermünde ernannt werden konnten. Zum 12. Jahrestag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik fand dieses feierliche Zeremoniell am Ausbildungsort statt. Unsere gemeinsamen Anstrengungen, meine eigene Arbeit und die meiner Unterstellten, wurden dabei gewürdigt. Aber ich musste auch an meine eigene weitere Qualifizierung denken, denn ich fühlte selbst, wie viel mir noch Können und Erfahrung in einer Offiziersdienststellung fehlten. Beim festlichen Mittagessen mit der Führung des Regimentes fragte mich der Kommandeur des Lehr-und Ausbildungsregiments 12, Major Heinz Trautsch, wie es mir und meiner kleinen Familie gehe. Er kannte meine Unzufriedenheit und teilte mir zwei Varianten der eigenen Qualifizierungsmöglichkeit mit. Die eine Variante wäre, dass ich an der speziellen militärischen Sektion der Ingenieurschule der Deutschen Post in Leipzig ein dreijähriges Studium mit dem Ziel der Ausbildung als Hochfrequenzingenieur aufnehmen könnte. Die zweite Variante bestände in  einer Kommandierung für einen neunmonatigen Ausbildungskurs in die UdSSR nach Ulan-Ude. In die Hauptstadt der Burjatischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik, hinter dem Baikalsee, Sibirien. Er würde mich gerne dafür vorschlagen und riet zur Zusage. Gründlicher könnte ich nirgendwo anders für die neue Waffengattung ausgebildet und für den weiteren persönlichen Werdegang vorbereitet werden. Er kannte den Ausbildungsort und das Ausbildungsprogramm bereits aus eigenem Erleben.

Für mich als junger Offizier spielte dieser Ratschlag des erfahrenen Kommandeurs eine große Rolle. Aber auch eine gehörige Portion an Neugier und Abenteuerlust sowie der stolze Gedanke, zu den wenigen Offizieren zu gehören, die im großen Land lernen durften, führten zu meiner baldigen Zusage. Trotz Familie mit Kleinkind waren ich und auch meine Frau bereit, diese lange Trennung auf uns zu nehmen. Urlaub sollte es in diesen neun Monaten nicht geben. Ulan- Ude war von der Heimat immerhin rund achttausend Kilometer entfernt. Familiäres zählte in der damaligen Zeit nur wenig. Der „militärische Klassenauftrag" wurde über alles gestellt. Ein intensiver Vorbereitungslehrgang fand an einer altbekannten Einrichtung in Potsdam- Geltow statt, der Flakartillerieschule. Wir erhielten nochmals eine fast vierteljährliche Grundlagenausbildung sowie intensiven Sprachunterricht. Russisch fiel mir nicht schwer. Bereits damals entwickelte ich eine gute Begabung und Sprachtalent.

Nach dem Festtagsurlaub zu Weihnachten und über den Jahreswechsel 1961/1962 ...
wurden wir über dreißig Offiziere, vom Major bis zum Unterleutnant, für Reise, Aufenthalt und Studium belehrt und eingekleidet. Je näher der befohlene Abreisetermin rückte, umso beklommener wurde die Stimmung. Aber, die Aufgabe war gestellt und die Entscheidung war getroffen. Anfang Januar 1962 begann die Reise. Mit dem Zug Berlin- Moskau trafen wir in der sowjetischen Hauptstadt ein, um nach wenigen Stunden auf dem Jaroslawler Bahnhof einen Schlafwagen der Transsibirischen Eisenbahn zu besteigen. Die Route nach Ulan- Ude führte durch solche gewaltigen Städte wie Orenburg, Kasan, Swerdlowsk, Krasnojarsk, Nowosibirsk, Tscheljabinsk, Magnitogorsk, Irkutsk und dann am Ufer des Baikalsees entlang. Nach gut fünf Tagen erreichten wir den Zielbahnhof in Ulan- Ude. Damals war die Transsibirische Eisenbahn noch dampfbetrieben. Im Schlafwagen aus der Ammendorfer Waggonfabrik „lebten“ wir zu sechst. Die damals „niedrigen Dienstgrade" Waldner, Giese, Just, Harkner, Metzner, Bertuch, Krolop, Wolny, Baumunk, Jonzeck und weitere hatten untereinander die besten und kameradschaftlichsten Kontakte, auch weil deren Ausbildungsprofile gleich bzw. ähnlich gelagert waren. Die sehr interessante Fahrt reicherten wir zusätzlich neben Essen und Teetrinken vor allem mit Canastaspielen und ab und zu mit einem Gang in das Waggon- Restaurant zum Portwein und anderen höherprozentigen Getränken an. 

Die Fahrt zog sich hin, ging stetig weiter nach Osten. Im europäischen Teil, vor Moskau, erinnerten mich die zu durchfahrende Städte und Ortschaften oft an Vaters Kriegserzählungen. Hier war er am unsinnigen und verbrecherischen Krieg Nazi-Deutschlands gegen die Sowjetunion beteiligt gewesen. Viele Gedanken gingen mir dann durch den Kopf. Ich fuhr jetzt also rund siebzehn Jahre nach dem Ende des II. Weltkrieges hier entlang, durch die riesigen Weiten und dann im Schlafwagen! Im europäischen Teil der UdSSR hielt die Transsib etwa alle drei bis fünf Stunden, auf jeder Station mindest zwanzig Minuten. Mein Ziel war es stets auszusteigen, zu versuchen eine Ansichtskarte zu kaufen, sie zu frankieren und der Post anzuvertrauen. Das gelang fast hunderprozentig. Die Karten kamen tatsächlich Tage später zu Hause in Thüringen an. 

Hinter Moskau dann wurde die Fahrtdauer zwischen den Bahnhöfen mit Halt immer länger. Die großen zu überquerenden Flüsse, die Silhouetten der gewaltigen Industriestädte, aber auch die zu erblickenden ärmlichen und verfallenden Katen in Dörfern, das sich ständig verschärfende Frostwetter, all das waren unvergessliche Eindrücke. Als wir den Ural und damit die Grenze zwischen Europa und Asien überfuhren, waren wir alle wie auf Kommando sehr ruhig und irgendwie bedrückt. Ein eigenartiges Gefühl war es, schwer zu beschreiben. In Asien herrschte bereits strenger Winter. In einem Ort mit dem Namen „Sima“, nomen est omen, auf Deutsch Winter, erwarteten mich beim Aussteigen und dem geplantem Kartenkauf Temperaturen von über minus 41 Grad. Trotz der Warnung der „Provodniza“, der Waggonbegleiterin, nicht auszusteigen, tat ich das. Meine Hand blieb am frostigen Einstieggriff des Waggons für einen Moment kleben. Nur im Trainingsanzug hüpfte ich unter dem Gelächter der Begleiterin und der Kumpels schnell zurück in den gemütlich warmen Waggon ..."  - Fortsetzung folgt!

Samstag, 7. Juli 2012

"Geheime Solidarität" der DDR

"GeheimeSolidarität



Militärbeziehungen und Militärhilfen der DDR in die »Dritte Welt«

vom Major der Bundeswehr, Klaus Storkmann.


Amazon dazu: "Der Spiegel berichtete 1980 von einem angeblichen »Afrika-Korps« Honeckers. 2.720 DDR-Militärberater seien in Afrika im Einsatz, davon 1.000 in Angola und 600 in Mosambik. Nahezu alle damaligen Zeitungen vermeldeten Ähnliches. Die Welt wusste sogar von insgesamt 30.000 »DDR-Militärexperten« in Afrika zu berichten. Klaus Storkmann ist diesen Legenden nachgegangen und hat die einst geheimen Akten der SED, des DDR-Verteidigungsministeriums und der Staatssicherheit über Jahre systematisch ausgewertet. Für die damaligen Pressemeldungen über militärische Einsätze fanden sich dabei keine Belege. Stattdessen bot die NVA Ausbildungsleistungen in der DDR und die Lieferung von Waffen und Nachrichtentechnik an. (Anm.: Dieser Band ist mit 28 Abbildungen und einer Karte versehen.)"

Dieses Buch räumt mit vielen Geschichten / Märchen über die NVA auf. Das Buch erscheint zwar im Links – Verlag, ist wohl dennoch gut geschrieben. Rund 700 Seiten. Der Autor hat viele Archive genutzt aber auch das Gespräch mit über 40 Zeitzeugen gesucht.

ISBN: 978-3-86153-676-5
Hoher Preis, z.Zt.: 49,90 Euro
Erhältlich u.a. über amazon.de

Links:
http://ddr-luftwaffe.blogspot.de/2010/08/die-nva-im-auslandseinsatz.html
http://home.snafu.de/veith/konflikt.htm
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3861536765/ddrluftwaffde-21

Inhaltsverzeichnis

I   Einleitung
          Thema , Relevanz und Forschungsinteresse
  1. Diskussion des  Literatur- und Forschungsstandes
      a)      Der globale kalte Krieg ?
      b)      Eine historische Terra incognita ?
             Forschungen zur Außenpolitik der DDR
      c)       „Honeckers Afrika – Korps“ Westliche Publikationen vor 1990
      d)      Zeitgenössische DDR – Veröffentlichungen und interne Forschungsarbeiten
      e)      Forschungsleistungen nach 1990

  1. Quellen – und Archivbericht
  2. Wisssenschaftliche Vorgehensweise, methodische Hinweise und Struktur der Arbeit
      II .  Entscheidungsprozesse: Akteure, Motive und Ziele

  1. „Einverstanden EH“ Militärische Auslandskontakte im Entscheidungsprozess zwischen NVA – Führung und höchster politischer Ebene
      a)     Erich Honecker und Walter Ulbricht als Parteiführer in den  Entscheidungsprozessen
      b)     Die Sekretäre für Sicherheitsfragen und die ZK – Abteilung für Sicherheitsfragen
      c)      Unstimmigkeiten zwischen dem Verteidigungsministerium und Hermann Axen
             sowie der ZK – Abteilung Internationale verbindungen
      d)     Auf militärischen Terrain: Werner Lamberz als kurzzeitiger Afrikakoordnator
      e)      NVA – Waffen als Devisenbringer ?
            Günter Mittag, Alexander Schalck – Golodkowski und die Irak – Iran Geschäfte
      f)       Grundsatzentscheidungen ?
            Beschlüsse des Politbüros und des Sekretariats des ZK der SED

  1. „Nichtzivile“ Unterstützung und Militärdiplomatie: Abstimmung zwischen dem MfNV und weiteren staatlichen Akteuren
      a)     Die NVA als grfragter Partner. Das MfNV in den Entscheidungsprozessen
      b)     Zusammenwirken von Generaloberst Fleißner, General Weiß und
            Außenhandelsminister Horst Sölle bei „nichtzivilen“ Lieferungen
            und „speziellen“ Exporten
      c)    Sansibar, Tansania, Guinea: Die NVA als Mittel im Kampf gegen die Hallstein – Doktrin.
           Das MfAA im Entscheidungsprozess
      d)     Solidaritätsspenden für Waffen ?
            Das (Afroasiatische) Solidaritätskomitee und die Finanzierung der Militärhilfen

  1. „Ihre Meinung wäre von großem Nutzen für uns“ Handlungsspielraum der DDR gegenüber der UdSSR und die Koordinierung innerhalb der Warschauer Vertragsorganisation
       a)     „Vonseiten des MfNV wurden bisher alle Lieferungen und Leistungen …
              mit dem Generalstab der UdSSR koorndiniert“
       b)     „Gegenseitiges Ausspielen verhindern“
              Koordnierungsbedarf innerhalb des Warschauer Vertragsorganisation
       c)      Verärgerung in Moskau


III.                Zwischen Solidarität und Kommerz: Militärkontakte zu Ägypten, Mosambik und Äthiopien. Drei Fallstudien

  1. Ein Brennpunkt des Ost – West – Konflikts. Militärhilfen für Ägypten
     a)     „Antiisraelische“ oder „antiimperialistische“ Politik ?
            Nach der Niederlage 1967: Kairo drängt auf Militärhilfe
     b)     MiGs und Millionenkredite für die ägyptischen Streitkräfte
     c)      An der Suezfront. Der Besuch des DDR – Verteidigungsministers 1971
     d)     Kommerzielle Leistungen und Rüstungslieferungen in den frühen 1970 er Jahren
     e)      Handlungsspielraum im Schatten der sowjetisch – ägyptischen Beziehungen
     f)       Das Ende einer „Freundschaft“
           Militärkontakte in den späten 1970er und den 1980er Jahren

  1. Von Erfolg gekrönt ? Militärhilfen für Mosambik
      a)     Hilfe für den bewaffneten Kampf der FRELIMO um die Unabhängigkeit
      b)     Eine »sozialistische Armee« für Mosambik
            Militärische Hilfe für den jungen Staat
      c)      NVA – Expertengruppen im Einsatz vor Ort
      d)     In den Uniformen der Interflug. Der einsatz einer NVA – Fluggruppe 1986 bis 1990
      e)      Das Beziehungsdreieck Maputo – Moskau – Ost – Berlin
             und sich daraus für die NVA ergebende Probleme
      f)       Trotz Drängend Maputos keine Entsendung von NVA Ausbildern


  1. Ein Fass ohne Boden ? Militärhilfen für Äthiopien
      a)     Militärhilfen im Beziehungsgeflecht Addis Abeba – Havanna- Moskau – Ost – Berlin
      b)     Hilfe bei der Reorganisation der Streitkräfte nach » sozialistischen« Vorbild
      c)      Zunächst als »Interflug«, dann als »Einsatzstaffel der NVA«.
            Einsatz von NVA Transportfliegern und einer Sicherungsgruppe in Äthiopien 1984 – 1988
      d)     Letzte Rettung für Mengistu ? Die großen Waffenlieferungen 1988 und 1989
      e)      Handelsinteressen und die »Freundschaft« zwischen Honecker und Mengistu
             als Antrieb der Militärhilfen


  1. Drei Staaten – eine Poltik ? Die Militärbeziehungen zu Ägypten im Vergleich

IV.                Die Ausbildung ausländischer Militärs in der DDR

  1. Die rechtliche und organisatorische Basis der Ausbildungsunterstützung sowie finanzielle und personelle Belastungen der NVA durch die Ausbildung

a)     Partnerländer, Zeiträume und inhalte der Ausbildungsprogramme: Vertragliche Festlegungen und Befehlsgebung

b)     Ungleiche Konditionen für die Partner

c)      Rechtliche und otganisatorische Bestimmungen der Ausbildung

d)     Erste » Spezialkurse« an den NVA – Schulen in den 1970 er Jahren

e)      Eine Schule sui generis ? Die Offzierhochschule »Otto Winzer« in Prora

f)       Finanzielle und personelle Belastungen der NVA durch die Ausbildung

g)      »Nachkontakarbeit« mit den in der DDR ausgebildeten Militärs


  1. Vorrang der politischen »Erziehung«?Ausbildungsziele, - inhalte und ergebnisse
      a)     Gewichtung der militärischen Ausbildung und der politischen Schulung

b)     Politischer Anspruch der Ausbildung und »Erziehung«

c)      Auswertung und Einschätzung der »Ergebnisse« der politischen Arbeit

  1. Ausländerausbildung als kulturelle Praxis
a)     »Wir haben keine Preußen vor uns«. Kulturelle Unterschiede in der Ausbildung ausländischer Militärs in der DDR

b)     »Erziehung zur Disziplin«

c)      Problematisierung von Schwierigkeiten

d)     »Ausländische Militärkader«: ein offenes Geheimnis

e)      Der Umgang mit Straftaten als Beispiel für die Anwendung der Regierungsabkommen

  1. Beendigung der Ausbildung 1990 und deren Bilanz
      a)     Bilanz der Ausbildungsunterstützung

b)     Beendigung der Ausbildungsunterstützung


V.                Militärbeziehungen und Militärhilfen in der zeitgenössischen Bewertung, im Spiegel der DDR – Presse sowie in Erinnerungen

  1. Die andere Perspektive: Erinnerungen ausgebildeter ausländischer Militärs sowie zeitgenössische Rückmeldungen aus dem Ausland an die DDR
      a)     Erinnerungen ausländischer Militärs an ihre Ausbildung in der NVA

b)     Rückmeldungen ausländischer Regierungen und Streitkräfte

  1. Die zeitgenössische sicht der DDR. Interne Bilanzierung und Einschätzung der militärischen Ausbildungskontakte im MfNV und in der Partei und Staatsführung
      a)     Von »hohem Niveau, das man fast schwindlig werden könnte«.
            Bilanzierungen und Einschätzungen durch das DDR – Verteidigungsministerium

b)     Ein »overstretch«? Die NVA an der Grenze der Möglichkeiten und Überlegungen zur Reduzierung der Hilfsleistungen

c)      Einschätzungen durch die politische Führung der DDR

d)     »Ihr Kampf ist auch unser Kampf«. Die Militärbeziehungen im Spiegel der DDR – Presse

e)      Zeitgenössische westliche Einschätzungen und deren Wahrnehmung durch die DDR

f)       Der zeitgenössische Blick der DDR auf die »Anderen« Meldungen an die politische Führung der DDR über Militärhilfen anderer Staaten

  1. Rückblicke von DDR – Diplomaten und NVA – Angehörigen
       a)     Ausbildung und medizinische behandlung ausländischer Militärs
             in der Erinnerung von Zeitzeugen

b)     Jenseits der Aktenlage: Militärbeziehungen im Rückblick früherer DDR – Diplomaten und NVA – Offziere


VI.    »Antiimperialistische Solidarität« Ideologie oder Interessenpolitik?

a)     Empfängerländer und Aktionsfelder der Militärhilfen und die Frage nach etwaigen Einsätzen der NVA in der Dritten Welt

b)     Entscheidungsprozesse und Handlungsspielraum der DDR: Akteure, Motive, Ziele und deren Spiegelung in der zeitgenössischen Bewertung

c)      Erfolg oder Misserfolg ? Legale oder illegale Aktivitäten ? Legitime oder illegitime Politik ?

d)     Ausblick und mögliche Forschungsansätze



VII.              Resümee

Anhang

Tabellen

Abkürzungen

Quellen und Literatur

Sachregister

Geografisches Register

Personenregister

Zum Autor