Sonntag, 18. April 2010

Notizen: Vulkanasche und Flugverbot

EU-Flugverbot
»Dass ein Vulkan den Flugverkehr eines ganzen Erdteils nahezu komplett lahmlegen kann, ist ein Novum in der Luftfahrtgeschichte ... Das Chaos im Luftverkehr kostet die Fluggesellschaften mindestens 150 Millionen Euro Umsatz jeden Tag, wie der Branchenverband IATA am Freitag mitteilte.« (Alles Schall und Rauch)

»Air-Berlin-Chef Joachim Hunold kritisiert die Behörden heftig: Das Flugverbot über Europa sei unbegründet und schade dem Geschäft massiv. Auch Lufthansa, KLM und Austrian Airlines üben Kritik. Hunold sagte: "Es ist in Deutschland noch nicht mal ein Wetterballon aufgestiegen, um zu messen, ob und wie viel Vulkanasche sich in der Luft befindet."« (Alles Schall und Rauch)

Russland fliegt
Obwohl Flüge nach Westeuropa aufgrund der Flugverbote gestrichen werden mußten, "sehe die Rosaviazia [russische Luftfahrtbehörde; Veith] vorerst keinen Grund, den russischen Luftraum für den Flugverkehr zu sperren. Derzeit gäbe es keine Restriktionen. Weder Wetterbehörden noch Fluggesellschaften hätten Aschewolke gemeldet, sagte Iswolski. Obwohl der Flugverkehr in mehr als 20 europäischen Staaten lahm liege, funktioniere der Flughafen der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad (früher Königsberg) ohne Beeinträchtigung« (Novosti)

Ein Streik der Fluglotsen ist vom Tisch
»Nach ihrer Tarifeinigung wollen Deutschlands Fluglotsen die Wiederaufnahme des Luftverkehrs geräuschlos meistern - sobald die Aschewolke abzieht ... Die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) und die GdF hatten sich am Freitag in ihrem Tarifstreit geeinigt ... Die Lotsen hatten zuvor ohnehin die ursprünglich für Dienstag vorbereiteten Arbeitskämpfe wegen der Aschewolke ausgesetzt ... Theoretisch hätten die Fluglotsen mit einem Streik einen Großteil des Luftverkehrs zum Erliegen bringen können« (Zeit-Online).

Übungen
NATO-Übung "Brilliant Ardent 2010" findet vom 12. bis 22. April 2010 in Nordeuropa statt (Amt für Flugsicherung der Bundeswehr).
Bundeswehrübung "Iron Taurus" vom 16. April bis 11. Mai 2010
»Die Bundeswehr probt in Niedersachsen auf dem Truppenübungsplatz Bergen den Ernstfall, außerdem sind Szenarien in Sachsen-Anhalt und Brandenburg [grob: Hannover-Hamburg-Potsdam; Veith] geplant. Poloczek [Oberstleutnant der 1. Panzerdivision; Veith] kündigte bis zum 11. Mai einen regen Austausch von Truppen und Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen an. „Es ist eine Großübung, die es in diesem Raum in den letzten 10, 15 Jahren nicht gegeben hat“, so Poloczek weiter. „Wir wollen so einsatznah und afghanistannah wie möglich ausbilden“ (Hit-Radio

Die Übungsserie LÜKEX ist in 2010 durch. »Sie knüpfen unter veränderten Bedingungen an die NATO-„WINTEX-Übungen“ an, die bis 1998 regelmäßig vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts stattfanden und in dem Teilbereich „CIMEX“ neben dem militärischen Teil wesentliche Komponenten der „Zivilen Verteidigung“ enthielten« (Wikipedia). In der BRD fanden seit 2004 vier LÜKEX-Übungen für den Krisenstab der Bundesregierung sowie die Krisenstäbe der Landesregierungen statt. Folgende Szenarien wurden zugrunde gelegt und in ihren gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen simuliert:

* LÜKEX 04:
Terroranschlag auf See und großflächige Stromausfälle (vgl.: Operation Atlanta 2008 und Münsterland 2005),
* LÜKEX 05: „WM 2006“
* LÜKEX 07: Pandemie
(vgl.: Schweinegrippe in 2009)
* LÜKEX 09 /10: „Schmutzige Bombe“
Thema: Androhung und Durchführung von Terroranschlägen mit CBRN-Tatmitteln (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe).

EU-Katastrophenschutz: »Die in den letzten Jahren angestiegene Zahl großer Katastrophen (2004: Tsunami in Asien, 2006: Krieg im Libanon, 2007: Waldbrände und Hochwasserkatastrophen in Europa) und die Gefahr, dass diese Katastrophen aufgrund des Klimawandels immer häufiger auftreten, verlangen die Anpassung und Modernisierung der Abwehrmaßnahmen der Europäischen Union« (EU in 2008).

Die Agenda "SINGLE EUROPEAN SKY"»Das europaweite Flugverbot durch Eurocontrol fällt in die “Entwicklungsphase” der seit 2001 durch die EU betriebenen Agenda “Single European Sky”, die bis 2020 vollständig abgeschlossen sein soll, und zwei Tage vor eine Strategietagung der EU-Kommission in Brüssel mit Vertretern aus Luftfahrtindustrie und staatlichen Institutionen. Thema: Eurocontrol und das “Management der Flugsicherheit in Europa” bis zum Jahre 2020 ... Die Agenda wurde in drei Phasen geplant: einer “Definitionsphase” (2005-2008), einer “Entwicklungsphase” (2008-2013) und einer “Umsetzungsphase” (2014-2020). Kernstück von “Single European Sky” war die EU-Verordnung (EG) Nr. 551 vom 10. März 2004, die sogenannte “Luftraum-Verordnung”. Sie beinhaltete eine komplette Neuordnung der Struktur des Luftraumes über Europa, eine Koordination der militärischen und zivilen Luftfahrt und eine “Harmonisierung” des Luftverkehrs durch eine Fülle von Regelungen und Bestimmungen zur zentralen Lenkung der Luftverkehrsflusses« (radio-utopie).

update (19.04.2010)
»Just im September 2009, ..., gab die ICAO einen neuen, fast für den gesamten weltweiten Luftverkehr verbindlichen, “Ausweichplan” (“contingency plan”) heraus. Inhalt dieses Plans: Zu ergeifende Massnahmen im Falle eines Vulkanausbruchs und einer sich daraufhin ausbreitenden Aschewolke im nordatlantischen Raum« (radio-utopie).

update (21.04.2010)
Die Zeitschrift "Pilot und Flugzeug" sieht die Ursache für Vulkanasche und Flugverbot in der "Bürokratie": »Die Außergewöhnlichkeit der Situation in Europa wird schon dadurch belegt, dass eines der vernünftigsten Statements zu einem Aviatik-Thema ausgerechnet im ansonsten technologisch eher unbeleckten Feuilliton der FAZ zu finden ist:
Die Vorsicht der Behörden ist verständlich. Wer wollte für einen Absturz verantwortlich sein? Es geht auch nicht darum, die Triftigkeit von Simulationen prinzipiell zu bestreiten. Es geht darum, dass sie so sehr als Tatsachen gehandelt werden, dass Entscheidungsabläufe erzwungen werden, die keinen Raum mehr für Erfahrung, Intuition, vulgo: den gesunden Menschenverstand lassen."«
Radio-Utopie schreibt über den nun endlich erfolgte Messflug u.a.: »Zitat aus dem Anfang Originalbericht der DLR (2), in englisch verfasst:

“Die Konzentrationen von großen Partikeln, die in der vulkanischen Schicht (Anm.: der Luftschicht mit Partikeln von Vulkanasche in 7000-4000 Metern Höhe) gemessen wurden, sind vergleichbar mit Konzentrationen, die üblicherweise in Wolken aus Staub der Sahara gemessen werden, aber kleiner im Vergleich zu Partikelkonzentrationen in der verschmutzten Grenzschicht (Anm.: die Luftschicht in 2000-3000 Meter Höhe mit normaler Luftverschmutzung.) Eine Einschätzung der Partikelkonzentration in der vulkanischen Aschewolke, die als Teil eines vertikalen Profils über Leipzig in ungefähr 4 Kilometern untersucht wurde, ergab 60 μg/m3.”

60 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Nun, der Grenzwert für Autoabgase in Graz liegt bei 50 µg/m3 und wurde 2006 immerhin in 120 Tagen um bis das Dreifache überschritten. Von einem Vulkanausbruch darf ausgegangen werden.

“Nach dem Flug wurde die Falcon untersucht. Bisher wurden keine Schäden festgestellt, einschließlich der Maschinen (nach einer Boroskopie) und den Fenstern. Weitere Machineninspektionen laufen. Silberfolien, die an unter den Flügeln angebrachten Stationen angebracht waren, zeigten keine sichtbaren Auswirkungen von Vulkanasche“

Reicht´s? Na dann hier noch einen Abschnitt über die Messergebnisse über Leipzig.

“Für diese vorläufige Analyse, wurde für den groben Partikelbereich ein Lichtbrechungs-Indexwert entsprechend veröffentlichter Daten benutzt (ohne jedoch zu wissen, ob die untersuchten Partikel des gleichen Typs sind.) Deshalb müssen die Daten mit Vorsicht benutzt werden, wegen der Möglichkeit systematischer Fehler.“«

update (21.08.2012)
Flugausfälle wegen obiger Vulkanaschewolke seien "höhere Gewalt". Hierfür muß ein Reiseveranstalter keinen Schadensersatz leisten, entschied das Amtsgericht München am 18. August 2012 (Az.: 222 C 10835/11).

»Ein derartiges von außen kommendes Ereignis sei nicht vorhersehbar. Es weise auch keinen betrieblichen Zusammenhang auf. Überdies sei eine Aschewolke nicht abwendbar. Es handele sich vielmehr um höhere Gewalt, für die ein Reiseveranstalter nicht verantwortlich gemacht werden könne« (law blog).

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