Samstag, 25. Juli 2009

Wiederbewaffnung in Ost und West

Mein Lieblingszitat zum Thema "Zeitreisen made in BRD" ist aus der Bundeswehr - "Zeitschrift für Innere Führung":

* "Vor dem Hintergrund der in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) aufgestellten Kasernierten Volkspolizei forderte Bundeskanzler Konrad Adenauer am 28. April 1950 den Aufbau einer mobilen Polizeitruppe auf Bundesebene. Diese Forderung ist Folge des am 25. Juni 1950 ausgebrochenen Korea-Krieges."
Zitiert nach: http://www.ifdt.de/0010/Artikel/grosch.htm (offline, Abruf 11.11.2003)

Auch nett, hochoffiziell das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung:
* "Ende 1948 gehörten den Kadereinheiten der Kasernierten Volkspolizei (KVP) 8.000 Mann an. ... Am ersten Jahrestag des Bestehens der DDR (07.10.1950) bestand die KVP aus insgesamt 70.000 Mann, ..."
Zitiert nach: http://www.sicherheitspolitik.bundeswehr.de/bibliothek/III.doc (offline, Abruf 11.11.2003)

In der westdeutschen Geschichtsdarstellung werden nicht nur Zeitreihen falsch dargestellt (Juni vor April) oder die Gründung der KVP von 1952 flockig auf 1948 vorverlegt bzw. absichtsvoll mit der Bereitschaftspolizei verwechselt und Phantasiezahlen verwendet, sondern auch penetrant bewaffnete Organe in der BRD unterschlagen:
* Dienstgruppen
* Länderpolizeien
* Bereitschaften

Um die (Nicht-) Handlungen am 17. Juni 1953 zu verstehen, sind solche Stärkevergleiche nicht unwesentlich:

1.) DIENSTGRUPPEN
Zu den "Dienstgruppen" habe ich mir das vermutlich einzige westdeutsche Buch zugelegt. Ziemlich viel Propagandasprache aber immerhin: "Dienstgruppen und westdeutscher Verteidigungsbeitrag" MGFA, Boldt-Verlag,1982.

Die Stärke der westdeutschen "Dienstgruppen" schwankte im Laufe der Zeit. Zu ihrem Höhepunkt hatten sie 160.000 Mann. Für 1950 werden angegeben:

80.000 US-Zone
35.000 GB-Zone
30.000 FR-Zone
-------------------
135.000 Gesamt

Der Vorrat an Ausrüstung wurde allein für die US-Zone als "gut" und allein für 20 Divisionen ausreichend bezeichnet. Im "Ernstfall" sollten die Dienstgruppen auf 200.000 Mann verstärkt werden.


Es ist ja nicht nur, daß die Deutschen in den Dienstgruppen u.a. mit leichten Waffen ausgerüstet und kaserniert untergebracht waren sowie bei Manöver der Westmächte mitliefen, sondern sie hatten auch ihre (noch nur technischen) Bewährungsproben: Während der sog. Berlin-"Blockade" 1948 hatten die "Dienstgruppen" an der Sicherstellung der "Luftbrücke" einen bedeutenden Anteil. Clay war von den Leistungen der westdeutschen Luftbrücken-Einheiten "sehr beeindruckt". Aus diesen Luftbrücken-Einheiten sind später technische Einheiten hervorgegangen.

Was die militärische Einsatzbereitschaft angeht, kann natürlich nur spekuliert werden. Für das Jahr 1950 wird allein die Stärke der nichttechnischen Wacheinheiten in der US-Zone mit 21.000 Mann angegeben.

Um die Frage, ob die Dienstgruppen den Kern der neuen westdeutschen Armeebilden sollten, tobte damals ein langer Streit in der BRD zwischen verschiedenen Interessengruppen. Letztlich setzte sich "Adenauer" durch, der neue Formationen (nach US-Muster) wollte und damit einen optimalen Einstieg der ehemaligen Wehrmachts - (und SS-) Angehörigen ermöglichte, die nicht unter den Besatzungsmächten hatten dienen wollen / können. Lediglich einige technische Einheiten wurden komplett übernommen.

2.) Westdeutsche POLIZEIkräfte
Leider ist mir die Gesamtstärke der damaligen westdeutschen Polizeikräfte nicht bekannt, nur dieses für 1950: "Die Hochkommission der westlichen Alliierten hat in Anbetracht dieserLage schließlich einer Aufstockung der Polizeikräfte um 30.000 Mann, einer Zentralisierung der deutschen Polizei auf Länderbasis und einer wirksamen Bewaffnung zugestimmt."
Zitiert nach: http://www.polizei.bayern.de/bpp/Geschichte/geschichte1.htm (offline; Abruf 11.11.2003)

Also allein 30.000 Mann mehr ... die westdeutsche Zeitung "Die Welt" schrieb dazu am 10. Februar 1951: "Die Gesamtstärke der Polizei in der Bundesrepublik wird sich nach den Angaben eines Sprechers des Bundesinnenministers auf 90 000 allgemeine Polizei in den Ländern, 10 000 Mann l. Quote Bereitschaftspolizei (die nach den New-Yorker Beschlüssen auf 30 000 erweitert werden wird) und 10 000 Mann Bundesgrenzschutz belaufen."
Zitiert nach: http://www.trend.infopartisan.net/trd0699/t040699.html (online; Abruf 25.07.2009)

Die DDR gab für Anfang 1951 die BRD - Polizeikräfte mit insgesamt 140.000 Mann an. Davon:
90.000 Länderpolizei
35.000 Bundesgrenzschutz und Bundesbereitschaftspolizei
10.000 Bereitschaftspolizei der Länder
5.000 Grenzschutzpolizei der Länder

Die förderale Polizei strukturierte sich bspw. in Bayern mit allein 25.800 Polizisten zudem wie folgt:
* Gemeindepolizei
* Landespolizei
* Bayerische Grenzpolizei
* Bereitschaften
Auch wenn die Gemeindepolizei damals wohl eine bayerische Besonderheit war, werden bei den westdeutschen Darstellungen gerne die eine oder andere Formation ausgeblendet. Natürlich sind auch hier die mit militärischer Verwendungsmöglichkeit in der Minderzahl gewesen.

3.) DDR-Polizei
War unmittelbar zentral aufgebaut. Was daher aus westlicher Sicht angeführt werden könnte:
* bis auf BGS waren die westdeutschen Einheiten förderal geführt
* die Dienstgruppen unterstanden dem Kommando der westlichen Besatzungsmächte.
Allerdings ist das nichts, was mit einer Unterschrift nicht hätte beseitigt werden können.

Auch zu der Stärke der DDR-Kräfte variieren die Angaben. Anfang 1951 existierten 24 VP-Bereitschaften, die als Schützenregimenter (1.800 Mann) angesprochen werden könnten, d.h. 6 Divisionen zu je 4 Regimentern. Das wäre eine Streitmacht von 40.-45.000 Mann gewesen.

Der exPanzergeneral Graf von Schwerin (Adenauers "Berater in technischen Fragen der Sicherheit" / "Büro Schwerin" / "Zentrale für Heimatdienst", zur geheimen Vorbereitung des Aufbaus westdeutscher Streitkräfte) gab 1950 die Zahl der militärisch einsatzfähigen Volkspolizisten mit 36.000 Mannan, wobei - lt. Dienstgruppen-Buch - die damals von Westdeutschland genannten Zahlen "offensichtlich zu hoch" waren. Jedenfalls war die DDR von der 1950 von Adenauer öffentlich herbeigefaselten »150.000-Mann-Armee in der Ostzone« meilenweit entfernt (vgl.: http://www.jungewelt.de/2002/06-29/012.php).

Selbstkritik:
Ich hatte bisher den Übergang 1956 der KVP zur NVA (pdf) als relativ nahtlos dargestellt, dem war natürlich nicht so. Nicht nur die Einheiten wurden - entsprechend den neuen Aufgaben - umstrukturiert und neu aufgestellt, sondern auch die Verpflichtungen des Personals erloschen. Viele nutzten die Gelegenheit ihren Dienst zu beenden.

4.) FAZIT
Beide Seiten haben sich bei der Wiederbewaffnung inoffiziell nicht groß Unterschieden. Lediglich bei der "Luftwaffe" hatte die DDR die Nase vorn, das lag an mangelnder Logistik und fehlendem Kaderstamm. Die Bundesluftwaffe hat dann 1955 voll mit Ritterkreuzträgern und sowas "zugeschlagen".

Warum aber die BRD jeweils, auch was Bündnisbeitritt und Armeegründung anging, den ersten offiziellen Schritt machte, wird ihr Geheimnis bleiben ;-)

Die DDR-Einheiten vor 1956 waren Ausbildungseinheiten und für einen militärischen Konflikt nur sehr bedingt einsatzfähig. So schrieb noch im Herbst 1953 ein westlicher Spion im Stab der Verwaltung der Aeroklubs (VdAK) in seinem Bericht: "Die Aeroklubs dokumentieren in Struktur und Ausbildung, daß sie zur Zeit "im wesentlichen noch den Charakter von Schulen haben, die wegen fehlender Düsenflugzeuge für einen ernsthaften Einsatz noch nicht in Frage kommen."

Ich lasse mal für 1950 für die DDR die 36.000 Mann des Herrn von Schwerin stehen, zgl. 2.000 Grenzer. Für Westdeutschland schätze ich mindestens 40.000 Mann Polizei und 40.000 Mann Dienstgruppen für militärisch aus dem Stand verwendbar.

Macht ca. 40.000 DDR gegen mind. 80.000 Mann BRD.

Ich halte dieses Verhältnis in Hinblick auf die Größe und Bevölkerungszahl der BRD /DDR auch für realistisch. Bei o.g. Zahlenspiel könnte man ggf. eine höhere "Militärisierungsquote" der DDR errechnen. Das hätte dieser in einem Krieg aber absolut nicht geholfen ...

1 Kommentar:

  1. »Bayern verfügte über eine eigene Grenzpolizei, welche zum Zeitpunkt der Diskussion um die Bundespolizei bzw. den Bundesgrenzschutz sehr gut ausgebaut und bedeutend war. Sie umfasste Anfang 1951 rund 2.400 Grenzpolizeibeamte und nahm an der bayerischen Grenze zur Sowjetzone, zur CSSR und zu Österreich die Aufgaben der Grenzüberwachung und Passkontrolle war.«
    aus: "Installation und Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes 1949 bis 1972", David Parma, Zugl.: Dissertation, Universität der Bundeswehr München, 2015, Springer-Verlag, S. 191

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